“Gemeingüter, um die sich die Stadt kümmert, gibt es viele”

von Magdalena Reiter

Sybille Straubinger ist Abgeordnete der SPÖ zum Wiener Landtag und Mitglied des Wiener Gemeinderats. Ihre Schwerpunkte liegen auf Wissenschafts- und Technologiepolitik, Creative Industries und Kulturpolitik.
Im Interview erzählt sie über die Bedeutung von Gemeingütern für die Gesellschaft und wie Open Design auch für die Politik relevant werden könnte.

In den letzten Jahren hat das Prinzip Share Economy an Bekanntheit zugelegt. Ist das in der Politik auch ein Thema geworden?
Ja, Share Economy ist durchaus ein Thema in der Politik geworden. Nehmen wir das Beispiel Gemeinschaftsgärten: Dass BürgerInnen dabei Pflanzen säen und ernten ist eine gute Sache, dahinter steht aber auch das Teilen von öffentlichen Flächen und das ist durchaus ein politisches Thema. Das gleiche gilt für Car Sharing: Wenn die Stadt öffentliche Stellflächen für AnbieterInnen zur Verfügung stellt, brauchen wir vielleicht insgesamt weniger Parkplätze und schonen bedeutende, innerstädtische Ressourcen. Auch Gemeinschaftsbüros, in denen man Infrastruktur teilt, werden immer beliebter. Also ja, es ist definitiv ein Thema.

Kann man also sagen, dass Gemeingüter eine politische Dimension haben?
Ja, absolut! Zu teilen und nicht alles besitzen zu wollen bzw. mehrere Leute an einer Ressource teilhaben zu lassen, ist auch ein sozialdemokratischer Zugang. Denn mit Solidarität und Teilhabe kann man Chancengleichheit herstellen. Der zweite Punkt ist die Schonung von Ressourcen, die ich ja schon angesprochen habe. In der Politik sind Gemeingüter aber als Begriff nur in geringem Ausmaß verankert.

Weißt das auch darauf hin, dass es noch Ausbaupotential gibt?
Bestimmt. Das erste Potential, das ich sehe, ist eben die Verankerung als Begrifflichkeit und eine nähere Beleuchtung dessen, was dahinter steckt und welche Möglichkeiten dadurch geboten werden. Es muss noch viel mehr Bewusstsein für Gemeingüter geschaffen werden. In vielen Bereichen gibt es ja schon Best practice Beispiele. Diese vorzustellen und damit vielleicht auch andere Bereiche zu inspirieren, könnte dabei helfen.

Gemeinschaftliche Ressourcen teilen zu wollen, setzt Vertrauen voraus. Wie kann man dieses Vertrauen innerhalb einer Gesellschaft schaffen?
Organisation und Verwaltung ist dabei bestimmt ein großer Faktor – ein ausgewogenes Verhältnis zwischen bottom up und top down Initiativen ist unumgänglich. Viele Initiativen lassen sich nur von unten herauf organisieren und brauchen das Engagement von Privatpersonen. Ein direkter Kontakt schafft dabei leichter Vertrauen. Wenn man allerdings in Maßstäben denkt, in denen man sich gegenseitig nicht mehr kennt, ist wahrscheinlich mehr Organisation notwendig. Bei öffentlichen Flächen braucht es beispielsweise von der Politik einen Rahmen, den man ausdiskutieren und gemeinschaftlich erarbeiten kann.

Inwiefern ist die Förderung von Gemeingütern Aufgabe der Politik?
Gemeingüter, um die sich die Stadt kümmert, gibt es ja ganz viele. Die Straßenbahn, die gerade vorbeifährt, ist eines, genauso wie das Wasser, das wir trinken. Wir sprechen hier von allem, was nicht privatisiert, sondern im Eigentum der Stadt ist.
In gewissen Bereichen nimmt das Konzept aber auch gerade an Bedeutung zu, zum Beispiel im Forschungs- oder Innovationsbereich. Hier wird immer mehr diskutiert, Förderungen in Infrastruktur zu stecken. Denn diese kann geteilt und von vielen genützt werden. Gibt man hingegen eine monetäre Förderung an ein Unternehmen, hat nur dieses einen Nutzen daraus. Gute, offene Infrastruktur bietet außerdem den Anreiz, in der Stadt zu bleiben oder in die Stadt zu kommen um hier zu arbeiten.

Digitale Güter oder Wissen sind recht einfach und kostenschonend übers Internet zu teilen. Sie werden auch nicht weniger, wenn man sie teilt. Gibt es in Wien Bestrebungen ebenso diese als Gemeingut zu fördern?
Ja, das wird immer mehr. Auf der einen Seite hat sich in den letzten zwei Jahren in der Open Data Initiative der Stadt Wien viel getan. Öffentliche Daten werden maschinenlesbar und frei zugänglich gemacht, um damit mehr Wissen und Wert zu generieren - sowohl auf einer ideellen Ebene, aber durchaus auch auf einer wirtschaftlichen. Neue Produkte können so entstehen und auf den Standort rückwirken.
Ein zweites Thema, das momentan intensiv diskutiert wird, ist das UrheberInnenrecht. Es lässt gerade viele Grauzonen entstehen und kriminalisiert alltägliche Tätigkeiten. Das ist aber kein Problem, das nur in Wien gelöst werden muss, sondern auch auf europäischer Ebene.
Ein dritter Punkt ist die Diskussion rund um öffentliche Förderungen. In der Forschung werden beispielsweise Forderungen laut, wissenschaftliche Erkenntnisse, die mit öffentlichen Geldern hergestellt werden, auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Das Schlagwort ist hier Open Science – und das ist sicher der richtige Weg.

Wie ist das mit Förderungen im Kunst- und Kulturbereich? Sollen diese ebenso der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden?
Sich dieses Szenario durchzudenken ist bestimmt spannend. Was das für die einzelnen Bereiche bedeutet, also einerseits für Kunstförderungen, aber auch andererseits für Wirtschaftsförderungen, muss man sich aber im Detail genau anschauen.
Interessant könnten aber beispielsweise die Businessmodelle hinter Wirtschaftsförderungen sein und damit einhergehend die Diskussion, welche Anreize offene Strukturen für Unternehmen bieten könnten.

Das hört sich ganz danach an, dass das Thema gerade viel Aufwind bekommt. Stimmt das?
Ja, dieser Prozess wird gerade vorangetrieben, aber er wird auch seine Zeit brauchen. Nachdem so lange die Individualität im Vordergrund gestanden ist, ist jetzt erstmal eine Umstellung des Denkens notwendig, um das Verlangen nach Exklusivität wieder zurückzuschrauben, Rücksicht zu nehmen und Kompromisse zu finden. Diese neuen Bewegungen stehen also gerade noch in einem Spannungsverhältnis mit dem Mainstream.

Ist dir Open Design schon mal als Thema in der Politik untergekommen?
Nein, als Begriff nicht. Das, was dahinter steckt aber schon.

Wie könnte Open Design in der Politik besser wahrnehmbar gemacht werden?
Ein regelmäßiger Bewusstseinsaustausch mit der Politik kann da bestimmt nicht schaden. Dafür muss man erstens den Nutzen darstellen, den Open Design für die Kreativen hat. Zweitens wird für eine Verankerung in Kultur- und Wirtschaftsförderungen auch wichtig sein, mögliche Wirtschaftsmodelle vorzustellen. In alten Mustern denkend, drängt sich momentan noch der Gedanke auf, dass Open Design eine projektbezogene Spielerei ist, die nur möglich ist, wenn man eine Förderung dafür erhält. Dass Kreative aber nachhaltig davon leben können, muss noch aufgezeigt werden.

  • Sybille Straubinger, Foto: Ludwig Schedl

    Sybille Straubinger, Foto: Ludwig Schedl